Constantin Brunner wurde am 27. August 1862 als Leo Wertheimer in Altona (bei Hamburg) geboren. In jüdischem Glauben erzogen (der Großvater, Akiba Wertheimer, war Oberlandesrabbiner von Altona und Schleswig-Holstein), studierte der anfänglich orthodoxe Leo Wertheimer zunächst am jüdischen Lehrerseminar in Köln. Etwa zwanzigjährig, brach er mit seinen religiösen Überzeugungen und widmete sich der vergleichenden Religionswissenschaft, um “die beste Religion” zu finden. Was er suchte, waren jedoch nicht – von ihm später als “abergläubisch” bezeichnete – Dogmen oder Riten des religiösen Volksglaubens, sondern der geistige Kern der Religion, des Judentums wie auch des Christentums. Dieser Kern bezieht sich für ihn nicht auf den Glauben an ein transzendentes Wesen, sondern auf das Vermögen zur geistigen Besinnung, das heißt zur Bewusstwerdung seines Zusammenhanges mit dem Absoluten.
Seit 1884 studierte Wertheimer in Berlin und zwischenzeitlich in Freiburg Philosophie und Geschichte. Zu seinen Lehrern zählten der Neukantianer Alois Riehl, der offensichtlich Brunners Kantinterpretation beeinflußt hat, der Philosoph und Theologe Eduard Zeller, dessen “Philosophie der Griechen” Brunner zeitlebens sehr schätzte, der Indologe und Schopenhauerkenner Paul Deussen, der Begründer der neueren Ethnologie Adolf Bastian, die Philosophen Wilhelm Dilthey und Julius Ebbinghaus und wohl auch der Zoologe August Weismann, der Brunner vielleicht zu seiner Kritik des Darwinismus angeregt hat.
Anfänglich dem Kantianismus sehr zugeneigt, setzte sich Brunner dann intensiv mit Hegel auseinander und widmete sich in zunehmendem Maße Spinoza, dessen begeisterter Anhänger er schließlich wurde. Vor allem wegen Spinozas Fähigkeit, die “wahre”, “aktive” Philosophie in die Praxis des Lebens umzusetzen, zählte Brunner ihn neben Moses, Sokrates, Christus und Buddha zu den Genies, die durch ihr Leben und Werk die absolute, geistige Wahrheit offenbaren.
Den akademischen Betrieb an den Universitäten empfand Brunner als fremd und lebensfern. Er kritisierte Dogmatismus und nihilistische Vielwisserei, die er als scholastisches Pseudo-Denken entlarvte. Brunner studierte auf eigene Faust mit Bezug auf seine großen Leitbilder, denen er sich persönlich verbunden fühlte. Die Fertigstellung einer viel zu groß angelegten geschichtsphilosophischen Dissertation verzögerte sich; zu einer Promotion kam es nicht.
Seit 1891 war Brunner in Hamburg als freiberuflicher Schriftsteller und Literaturkritiker tätig. Er betrieb ein “Literarisches Vermittlungsbüro”, das Texte an Zeitungen und Verleger vermittelte, hielt Vorträge und veröffentlichte Essays und Gedichte. Mit den Dichtern Detlev von Liliencron (den er als Kritiker weniger schätzte), Gustav Falke und Richard Dehmel hatte er freundschaftlichen Umgang. An die philosophischen Gespräche mit Otto Ernst erinnert Brunners 35 Jahre später erschienene Schrift “Materialismus und Idealismus”, wo er als kritischer Gesprächspartner (“Freund Trotzdem”) erscheint.
1893-95 gab Brunner zunächst mit Leo Berg, dann mit Otto Ernst die weithin Aufmerksamkeit erregende literarische Zeitschrift “Der Zuschauer” heraus, in der er auch selber (zum Teil unter wechselnden Namen) philosophische, literaturkritische und politische Essays veröffentlichte. Seit dieser Zeit benutzte er das Pseudonym Constantin Brunner, das er später als bürgerlichen Namen eintragen ließ.
Das Jahr 1895 brachte die entscheidende private, geistige und berufliche Wende. Brunner heiratete die geschiedene Rosalie (“Leoni”) Auerbach und wurde Stiefvater ihrer begabten Tochter Elise Charlotte (“Lotte”), mit der er später oft die literarische Ausarbeitung seiner philosophischen Gedanken diskutierte. Lotte publizierte auch selber, meist unter dem Pseudonym E. C. Werthenau, etwa über Brunners Verhältnis zu Nietzsche. Viele Jahre hindurch (1903-1932) führte sie ein Tagebuch, in dem sie vor allem Äußerungen ihres Stiefvaters vermerkte, die für das Verständnis seiner Lebens- und Denkart sehr hilfreich sind.
1895 erlebte Brunner aber vor allem auch eine innerlich-geistige Wende. In der Folge eines Inspirationserlebnisses angesichts der “Tauschwestern”, einer Skulpturengruppe des Parthenongiebels im Londoner Britischen Museum, reifte in ihm die Konzeption einer philosophischen Lehre, deren Ausarbeitung er sich fortan bis zu seinem Lebensende widmete, ohne daß sich der Grundansatz je wesentlich geändert hätte. Brunner gab seine literarische und publizistische Tätigkeit vollständig auf und übersiedelte noch im selben Jahr nach Berlin, wo er zurückgezogen im Kreise seiner Familie lebte. Eine Zeitlang unterrichtete er noch in einem Mädchenpensionat und arbeitete als Kritiker und literarischer Beirat in Verlagen. Aber dank der finanziellen Unterstützung einer Freundin, Frida Mond, Frau des Londoner Großindustriellen Ludwig Mond, und später ihres Sohnes, Lord Alfred Melchett, war er nicht vollständig gezwungen, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.
Nach dreizehn Jahren erschien Brunners umfangreiches philosophisches Hauptwerk, “Die Lehre von den Geistigen und vom Volke” (1908), für dessen Veröffentlichung Gustav Landauer gesorgt hatte, mit dem Brunner in diesen Jahren eine enge Freundschaft verband. Durch die Unterscheidung von drei “Fakultäten” des Denkens – die praktische, die geistige und die analogische – legt Brunner in diesem Buch das Fundament seiner Philosophie. Da nach ihm das praktische Denken des Menschen notwendig entweder auf das wahre, geistige oder aber auf das fiktive, analogische Prinzip gegründet ist, kommt er zu der These eines durch die gesamte Geschichte hindurch aufzeigbaren Antagonismus’ zwischen geistig und abergläubisch Denkenden. Das analogische Denken ist kein rein, sondern ein verworren absolutes, das heißt ein verabsolutiert praktisches Denken. Grundlegend für seine Lehre ist die Unterscheidung zwischen dem absoluten, geistigen und dem relativen, praktischen Denken, die auf Spinozas Differenz zwischen Substanz und Attribut zurückgeht.
In diesem Doppelband erörtert Brunner, nach einer allgemeinen “Ankündigung” seiner Lehre, zunächst die Fakultät des “praktischen Verstandes” und dessen Bedeutung für die menschliche “Lebensfürsorge”, das heißt für dessen natürlichen Egoismus, der (falls auf das Relativ-Praktische beschränkt gehalten) in keiner Weise negativ sei. Neben erkenntniskritischen Analysen der Begriffe Ding, Raum, Zeit und Nichts, ist es vor allem Brunners Anliegen, die konkrete Grunderfahrung des praktischen Bewusstseins (das Denken der Dinge) auf das abstrakte Grundgesetz (das Denken der Bewegung als Ursächlichkeit) zurückzuführen. Seine Bewegungslehre mündet in eine “Psychologie ohne Seele”, schließlich in eine “Pneumatologie”, in der Brunner die Herkunft unsres Bewusstseins aus der Beseeltheit der Welt ableitet. In zahlreichen Exkursen hebt er den scholastischen Moralismus Kants hervor, den er der folgerichtig durchdachten Philosophie Spinozas gegenüberstellt. Brunners Kausalbegriff – für ihn die Basis für einen vernünftigen “praktischen Verstand” – ist Spinoza entnommen, der damit das frühgriechische Denken fortsetze und das Abendland von “Mirakelursachen” befreie.
Als Spinoza-Kenner hatte Brunner regen Kontakt mit Spinozaforschern wie Carl Gebhardt, Adolph S. Oko, Stanislaus von Dunin-Borkowski. Ernst Altkirch hat er zu seinen Arbeiten “Spinoza im Porträt” (1913) und “Maledictus und Benedictus” (1924) angeregt. Die deutsche Ausgabe von K. O. Meinsmas Buch “Spinoza und sein Kreis” (1909) wurde von Brunner redigiert und mit einem Vorwort versehen, das auch (1910) als selbständige Schrift erschien: “Spinoza gegen Kant und die Sache der geistigen Wahrheit” – ein Titel, der für diese Phase von Brunners Werk programmatisch ist.
Brunner kritisierte – meist sehr polemisch – vieles, was damals in Geltung stand: nicht nur Kant, auch (den von ihm zum Teil geschätzten) Schopenhauer, Nietzsche, Spengler und den Darwinismus. Die philosophischen Strömungen seiner Gegenwart ignorierte er. Es lassen sich zwar einige Parallelen zu zeitgenössischen Denkern wie Husserl, Heidegger und Wittgenstein feststellen, tatsächliche Einflüsse konnten aber bislang in keiner Richtung aufgezeigt werden. Brunners Denken läßt sich weniger aus zeitgenössischen Kontexten begreifen als aus der spirituell-mystischen Denktradition von Sokrates und Platon, dem “geistigen” Judentum und Christus, Meister Eckhart und Spinoza bis hin zu Hegel und Schelling.
Ursprünglich wollte Brunner nach der Erörterung der ersten Fakultät des Denkens, der des “praktischen Verstandes”, die beiden anderen Fakultäten “Geist” und “Analogon” auf gleiche Weise systematisch in separaten Büchern abhandeln, doch gab er dieses Projekt bald auf, offensichtlich weil er sah, daß eine gesonderte Behandlung der drei Fakultäten nicht sachgerecht durchführbar war. Schon in der “Lehre” hatte sich gezeigt, daß sich das praktische Verstandesdenken nicht eindeutig beschreiben läßt, ohne daß dabei zugleich das Prinzip seiner Gründung (geistig oder analogisch) bestimmt wird. In den folgenden Schriften erörtert Brunner die Fakultäten Geist und Analogon meist parallel, wobei einige Schriften sich besonders auf die theoretische Erörterung der beiden Denkarten (Geist und Analogon) beziehen, andere mehr die praktische Anwendung dieser Prinzipien im individuellen und gesellschaftlichen Leben als “vernünftiges” oder “abergläubisches” Denken im Auge haben.
Nach einer schweren gesundheitlichen Krise begann Brunner zunächst mit der literarischen Ausarbeitung seiner politischen Anschauungen. Am Beispiel des Judenhasses entwickelte er noch vor dem ersten Weltkrieg seine Staats- und Gesellschaftslehre in “Der Judenhaß und die Juden” (fertiggestellt 1913, gedruckt 1918). Das Buch, das den Aufsatz “Rede der Juden: Wir wollen ihn zurück!” enthält, der das jüdische Prophetentum Christi betont, machte auf Walther Rathenau einen nachhaltigen Eindruck: Brunner und Rathenau wurden enge Freunde.
In den zwanziger und frühen dreißiger Jahren entstanden weitere Schriften zur Judenhaßfrage, eingebettet in größere psychologische und soziologische Zusammenhänge: “Die Herrschaft des Hochmuts” (1920), “Der Judenhaß und das Denken” (1922), “Höre Israel und Höre Nicht-Israel! (Die Hexen)” (1931), “Der entlarvte Mensch” (postum 1953), sowie ein zweites rechtsphilosophisches Werk: “Von den Pflichten der Juden und von den Pflichten des Staates” (1930). In allen diesen Büchern und noch einigen Aufsätzen geht es Brunner darum, die Vorurteile des Menschen auf seine natürliche Neigung zum Aberglauben zurückzuführen. Somit ist der Glaube an die Auserlesenheit einer bestimmten Rasse, eines Volkes, einer Nation, einer Partei oder auch der Stolz auf irgendwelche persönlichen Eigenschaften oder Fähigkeiten als die unbewußte Anwendung des analogischen Denkprinzips zu erkennen. Abergläubisches Denken führe zu Hochmut und Unterdrückung, nicht selten zu physischer Vernichtung. In diesem Zusammhang wendet Brunner sich nicht nur gegen einen übersteigerten deutschen Nationalismus und gegen den Antisemitismus, sondern ebenso gegen den Zionismus, der die angestrebte Gründung eines jüdischen Staates religiös oder moralisch zu fundieren versucht.
Brunner zeigte in diesen Jahren nicht nur die Fruchtbarkeit seiner Fakultätenlehre für die Erklärung gesellschafts-politischer Zusammenhänge auf, sondern wendete diese auch immer wieder auf andere praktische Lebensfragen an, sei es auf die Liebe-Ehe-Problematik in seinem Buch “Liebe, Ehe, Mann und Weib” (1924), auf die philosophische Position der Kunst (“Künstler und Philosophen”, “Ein Idealporträt Spinozas”), der Literatur (“Liliencron und alle seine unsterblichen Dichter”, “Goethes ‘Tagebuch’”, “Jonathan Swift”), der Medizin (“Aberglaube an die Ärzte und an die Heilmittel”, “Natura sanat, medicus curat”) oder der Psychiatrie (“Über den Aberglauben in der Betrachtung von Geisteskranken”, “Keine Psychiatrie und die Psychoanalyse”).
Gleichzeitig arbeitete Brunner seine Lehre vom “Geist” weiter aus. In seinem Buch “Unser Christus oder das Wesen des Genies” (1921) zeigt er die unmittelbare Nähe des Genies zum Geist auf. Er erläutert die geistige Funktion des Genies an Christus, den er nicht als Stifter einer neuen Religion betrachtet, sondern als einen mystischen Propheten, der den wahren “Geist des Judentums” verkörpert. In “Materialismus und Idealismus” (1928), das zusammen mit “Aus meinem Tagebuch”, einer Sammlung philosophischer Aufzeichnungen, erscheint, erörtert Brunner das Verhältnis von Relativem und Absolutem als ein Zusammen von wissenschaftlich begreifbarem Materiellem und nicht begrifflich erfaßbarem Ideellem. Er bezieht sich dabei auf Platons Ideenlehre, besonders aber auf Spinozas Unterscheidung von Attribut und Substanz.
Während dieser ganzen Zeit lebte Brunner in Berlin (1895-1913 und 1930-1933) oder Potsdam (1913-1930). Abgesehen von verschiedenen Reisen, vor allem in das geliebte Norwegen, blieb der “Einsiedler”, wie er sich selber nannte (1924 erscheint die autobiographische Schrift “Vom Einsiedler Constantin Brunner”), zu Hause. In öffentlichen Gesellschaften mochte er sich nicht aufhalten. Von der akademischen Welt nahm er kaum Notiz. Die Spinoza-Gesellschaften konnten ihn ebensowenig für Vorträge gewinnen wie die Kant-Gesellschaft oder der “Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens”. Nicht einmal vor der (1925 ohne seine Mitwirkung in Berlin gegründeten) “Constantin Brunner-Gemeinschaft” wollte er sprechen. Nur in kleinem, privatem Kreise diskutierte er, dort allerdings mit großem Engagement, von ihm ausgewählte philosophische Themen und praktische Lebensfragen.
Viele empfanden ihn als charismatisch, was teilweise zu einer überschwänglichen, manchmal zu Schwärmerei neigenden Schülerschaft führte. Faszination übte Brunner aber auch auf so verschiedene Persönlichkeiten wie Rathenau, Landauer (mit dem er sich schließlich aus politischen Gründen überwarf), den Zionisten Max Nordau, den Kantianer Arthur Liebert, den Schriftsteller Hermann Kasack, den Rabbiner Joseph Norden und nicht zuletzt auf Lou Andreas-Salomé aus. Martin Buber, der mehrfach zu Besuch kam, kritisierte Brunners Unterscheidung zwischen Geistigen und Volk, die er als aristokratische Erniedrigung Andersartiger offensichtlich fehlinterpretierte.
In den Jahren zwischen den Weltkriegen war Brunner ein recht bekannter Philosoph. “Die Lehre” und “Der Judenhaß und die Juden” erlebten zweite Auflagen. Sein Werk “Unser Christus oder das Wesen des Genies” wurde nicht nur von jüdischer, sondern vor allem auch von christlicher Seite intensiv diskutiert. Der holländische Theologe K. H. Miskotte setzte sich 1933 in seiner Dissertation eingehend mit Brunners Lehre auseinander.
Seit Anfang der zwanziger Jahre scharte sich in Berlin eine schnell wachsende Anzahl von Schülern um Brunner, unter ihnen der Schauspieler und spätere Schriftsteller Fritz Ritter, der jüdisch-liberale Publizist George Goetz sowie die Rechtsanwälte Ernst Ludwig Pinner und Fritz Blankenfeld, die Gründer der “Constantin Brunner-Gemeinschaft” in Berlin.
Wirkungsreicher wurde jedoch das “Ethische Seminar”, eine in den frühen zwanziger Jahren von Friedrich Kettner geleitete Brunner-Studiengruppe in Czernowitz (Hauptstadt der Bukowina, bis zum ersten Weltkrieg österreichisch, später rumänisch, dann ukrainisch), aus dem eine Art Brunner-Freundeskreis mit zahlreichen Mitgliedern hervorging, unter ihnen der Arzt und Biologe Israel Eisenstein, der 1937 mit der auf Brunners Philosophie fußenden Dissertation “Irrtum und Wahrheit der Biologie – Kritik der Abstammungslehre” hervortrat, der in die USA emigrierte Psychologe Walter Bernard, der 1934 in New York eine Dissertation über Brunner und Spinoza verfasste, sowie der Arzt Lothar Bickel, der in einer ganzen Reihe von Arbeiten Brunners Gedanken weiter ausführte und von Brunner schließlich zum Nachlassverwalter bestimmt wurde. Auch die Dichterin Rose Ausländer, die sich Brunner zeitlebens sehr verbunden fühlte und – wie die anderen – seine persönliche Nähe suchte, gehörte dem “Ethischen Seminar” und später dem Brunner-Freundeskreis an.
Im Frühjahr 1933 sah Brunner sich gezwungen, Deutschland zu verlassen. Nicht nur seine jüdische Abstammung, sondern vor allem seine antinazistischen Aussagen machten ihn zum erklärten Feind des Naziregimes. Die letzten Lebensjahre verbrachte Brunner im niederländischen Exil in Den Haag, wo ihn eine deutsche Schülerin, Magdalena Kasch, liebevoll umsorgte, während seine Tochter Lotte heiratete und das Elternhaus verließ. Die Tagebuchaufzeichnungen von Magdalena Kasch geben Auskunft über diese letzte Lebensperiode, in der Brunner an seinem unvollendet gebliebenen Werk “Unser Charakter oder Ich bin der Richtige!” arbeitete (postum 1939 von Lothar Bickel herausgegeben). Brunner zeigt in diesem Buch den in Selbsttäuschung befangenen, seinen natürlichen Egoismus verkennenden Menschen, der hochmütig moralisierend meint, in allem recht zu haben. Vieles, was bestimmt war, in dieses Buch hineinverwoben zu werden, mitsamt einigen anderen Aufsätzen und Notizen, die er in den letzten Jahren seines Lebens schrieb, wurde von Magdalena Kasch in dem Sammelband “Vermächtnis” (postum 1952) veröffentlicht.
Brunner starb am 27. August 1937, seinem fünfundsiebzigsten Geburtstag, an einem Herzleiden. Seine Frau Leoni und auch seine Stieftochter Lotte, die ihrer Mutter beistehen wollte, wurden 1943 im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Viele Freunde und Schüler Brunners erlitten ein ähnlich grausames Schicksal.
Seit der Nazidiktatur, spätestens mit dem Ausbruch des Krieges, wurden die Brunnerkreise zerschlagen, und es blieben nach dem zweiten Weltkrieg nur versprengte Gruppen in Israel, Dänemark, den Niederlanden, Frankreich, Rumänien, den USA, Uruguay und Argentinien, die an die früheren Aktivitäten nur noch sehr begrenzt anknüpfen konnten. Immerhin gelang es Magdalena Kasch, während der Besatzungszeit der Niederlande den größten Teil von Brunners Schriften zu retten und 1948 mit Hilfe der noch lebenden Freunde Brunners das “Internationaal Constantin Brunner Instituut” (ICBI) in Den Haag zu gründen, das das Inventar von Brunners letztem Arbeitszimmer und das umfangreiche Brunnerarchiv bewahrt hat. Das Institut hat sich mit Erfolg um die Wiederherausgabe der Schriften und die Erstveröffentlichung der ungedruckten Manuskripte bemüht. Alle Bücher, die von den Nazis vernichtet worden sind, wurden neu verlegt; zuletzt wurde eine Edition des umfangreichen Briefwechsels vorbereitet.
Am lebhaftesten wurde Brunner zunächst in Israel (neun Jahrgänge Zeitschriften), dann (durch die Bemühungen Leo Sonntags) in Frankreich diskutiert. Ferdinand Alquié, André Breton, aber auch Albert Schweitzer sprachen mit großer Anerkennung von ihm. Auch Yehudi Menuhin wurde – schon 1938 – von Brunners Philosophie inspiriert und verehrte ihn seitdem als seinen “geistigen Mentor”. Seit 1975 gibt es eine (zunächst von dem Literturwissenschaftler Heinz Stolte geleitete) Brunner-Stiftung in Hamburg, die bestrebt ist, Brunner in Deutschland wieder bekannter zu machen. 1995 lud die Stiftung zu einem dreitägigen Symposion ein.
Für seine Zeitgenossen war Brunner ein unbequemer Denker. Einerseits machte sein scharfer Angriff auf Religion, Metaphysik und Moral ihn bei scholastischen Theologen und Philosophen sowie bei idealistischen Ethikern unbeliebt, andererseits war sein geistiges, in mystische Liebe endendes Denken der positivistischen Skeptik der kritischen Moderne verdächtig. Nur ging es ihm keineswegs darum, eine eigene, “neue” Philosophie zu entwickeln, sondern bloß um die Darstellung der Einen, ewigen, immer schon bestehenden Philosophie der Menschheit, die er auf eine natürliche Einfachheit zurückführen wollte.
(J. Stenzel, H. Matthes)
Zeittafel
27.8.1862
Constantin Brunner wurde geboren als Arjeh Yehuda Wertheimer (Rufname: Leo) in Altona (bei Hamburg) als Sohn von Rachel (genannt Rike) und Moses Wertheimer, einem Kaufmann und Talmudgelehrten, und als Enkel des angesehenen Oberrabbiners von Altona und Schleswig-Holstein Akiba Wertheimer.
bis 1879
Aufgewachsen in der jüdischen Tradition; Unterricht bei dem Altonaer neuorthodoxen Rabbiner Elieser Loeb.
1880-85
Zunächst Studien am jüdisch-orthodoxen Lehrerseminar in Köln, nach deren Abbruch seit 1881 privates Studium der Religionsphilosophie bei Hirsch Plato. 1883/84 und 1885 Vorträge über den Talmud in Altona, Hamburg und Berlin.
Ende 1881
Erste Begegnung mit Johanna Löwenthal, der "mütterlichen Freundin".
1884-90
Studium der Philosophie und der Geschichte in Berlin (vermutlich als Gasthörer bei Adolf Bastian, Paul Deussen, Wilhelm Dilthey, Hermann Ebbinghaus, Eduard Zeller, Wilhelm Scherer, Georg Simmel und Heinrich von Treitschke), vor allem aber in Freiburg (bei dem Kantianer Alois Riehl, dem Zoologen August Weismann und dem Historiker Hermann Eduard von Holst). Arbeit an einer geschichtsphilosophischen Dissertation, die er nicht abschloss.
1891-1920
Freundschaft und umfangreicher Briefwechsel mit Frida Mond (der Tochter von Johanna Löwenthal), die Brunner vielleicht schon während seines Studiums, spätestens aber seit 1895 finanziell unterstützte. Mond war Brunners Arbeiten gegenüber sehr kritisch, was wiederholt Anlass zu Auseinandersetzungen war.
1891-95
Gründung und Leitung des „Litterarischen Vermittlungsbureaus“ in Hamburg. Geschäftsführer war zunächst Georg Müller, später Robert Grosser. Zur Prüfungskommission gehörten zeitweise Ludwig Gustav Weisse, Ernst Müller-Holm, Hans von Langen-Allenstein, Leo Berg und Ernst Altkirch.
ca. 1892
Gründung der grotesk-komischen Vereinigung "Atta Troll", zu der Goby Eberhardt, Paul Geisler, Emmy Rossi, Otto Ernst, Detlev von Liliencron, Gustav Falke und Leo Berg gehörten. Mit Berg und Ernst war Brunner auch später noch befreundet.
ca. 1893
Entstehung der Schrift "Rede der Juden. Wir wollen ihn zurück!", die jedoch erst 1918 in "Der Judenhaß und die Juden" publiziert wurde.
1893-95
Herausgeber (unter dem Pseudonym Constantin Brunner) der Hamburger Literaturzeitschrift "Der Zuschauer" (zunächst mit Leo Berg, seit 1894 mit Otto Ernst), die 1893 als Monatsschrift, 1894 als Halbmonatsschrift und 1895 bis zur letzten Ausgabe am 3. Februar wöchentlich erschien.
1892-94
Publikation (teilweise unter den Pseudonymen Thersites, Leo Dorn, Dagobert Kleister) von Gedichten, Aufsätzen, Berichten und Rezensionen zu literarischen, ästhetischen und politischen Themen, unter anderem "Die Technik des künstlerischen Schaffens" (1893).
seit 1894
Freundschaft mit Ernst Altkirch, dem Brunner bei seinen Arbeiten vielfach behilflich war.
1895
Auflösung des "Zuschauers" und des „Litterarischen Vermittlungsbureaus“. Anfang Juni Inspirationserlebnis beim Anblick der „Tauschwestern“ (einer Figurengruppe des Parthenongiebels) im Londoner British Museum. Mitte August heiratete Brunner Rosalie Auerbach und zog im November mit ihr und ihren beiden Töchtern Lotte und Gertrud nach Berlin.
1895-1913
Brunner lebte zurückgezogen im Kreis seiner Familie in Berlin und arbeitete am ersten Hauptwerk. 1904 Norwegenreise mit einem erneuten Inspirationserlebnis in Stahlheim. Brunner gab gelegentlich Privatunterricht in Literatur- und Kunstgeschichte: Cécile Mutzenbecher und Alice Brandt zählten zu seinen Schülerinnen. Freundschaften mit Ernst Altkirch, Otto Ernst, Leo Berg (der 1908 starb), später mit Eberhard König, seit 1903 auch mit Eduard Bäumer und (bis 1911) mit Gustav Landauer.
1903-32
Brunners Stieftochter Lotte verzeichnete in einem umfangreichen Tagebuch Aussprüche Brunners und notierte Begegnungen mit anderen.
1908
"Die Lehre von den Geistigen und vom Volke" (erstes theoretisches Hauptwerk, das die „Fakultät“ des „praktischen Verstandes“ behandelt; mit einer umfangreichen „Ankündigung“ der Lehre von den Geistigen und vom Volk) erschien im Karl Schnabel Verlag in Berlin; Gustav Landauer war der Lektor.
1908-09
Ernste Krankheit: Erholungsreise nach Wiesbaden (Treffen mit Frida Mond), an den Gardasee und ins Engadin. Mitarbeit an Lina Schneiders Übersetzung der Arbeit Koenraad Oege Meinsmas "Spinoza und sein Kreis" (Berlin 1909).
1909
"Spinoza gegen Kant und die Sache der geistigen Wahrheit" (polemische Streitschrift, in der Spinoza und Kant als Hauptrepräsentanten der "Geistigen" bzw. des "Volkes" erscheinen) wird zunächst in Meinsmas "Spinoza und sein Kreis" publiziert.
1910-16
Kontakte zu den Spinozaforschern Stanislaus von Dunin-Borkowski und Adolph S. Oko, 1927 auch zu Carl Gebhardt; kleinere Arbeiten zu Spinoza: "Eine Spinoza-Gesellschaft?" (1910), "Goethes Verhältnis zu Spinoza" (1912), "Ein Idealporträt Spinozas" (1913), "Das Lamm Benedikt Spinoza" (1916).
1911-18
Kleinere Arbeiten zu philosophischen und literarischen Themen: "Kurze Rechenschaft über die Lehre von den Geistigen und vom Volk" (1911), "Liliencron und alle seine unsterblichen Dichter" (1912), "Künstler und Philosophen" (1916), "Zum fünfundfünfzigsten Geburtstage" (1917), "Heinrich Heine und eine Sorte literarischer Kritik" (1918).
1910-11
Bekanntschaft mit Max Nordau; Begegnungen mit Ludwig Stein, Martin Buber, Lou Andreas-Salomé.
1910-36
Freundschaft mit Borromäus Herrligkoffer.
1909-12
Sommerreisen nach Misdroy an der Ostsee; dort 1911 Besuch von Borromäus Herrligkoffer, 1912 von Friedrich Kettner.
Frühjahr 1912
Lotte Brunner in Rom zu Besuch bei Frida Mond und Henriette Hertz; Auseinandersetzung mit Paul Deussen.
1912
Frida Mond schenkte Brunner die umfangreiche Spinozabibliothek Jacob Freudenthals.
1912
Erste Begegnung mit Magdalena Kasch.
1913-30
Umzug in die Neue Königstraße 38 in Potsdam, wo Brunner weiterhin zurückgezogen lebte, aber viel Besuch empfing, zunehmend auch von begeisterten Anhängern. Brunner weigerte sich, öffentlich aufzutreten, beteiligte sich nicht an wissenschaftlichen Diskussionen und kaum an den Aktivitäten seiner Anhänger. Es entwickelte sich jedoch ein großer Briefwechsel.
1911-19
"Der Judenhaß und die Juden" entstand seit 1911 (erstes Hauptwerk über die Staatslehre, den Antisemitismus und den Zionismus, dessen Schlusskapitel die "Rede der Juden" bildete; 1916-18 ergänzte Brunner das Vorwort "Unter dem Krieg"). Gedruckt wurde das Buch 1918 im Verlag Oesterheld & Co. und noch einmal 1919, ergänzt durch das zweite Vorwort "Unter dem Frieden".
1914-19
Kleinere Arbeiten zu politischen Themen: "Die politischen Parteien und der Patriotismus" (1914), "Deutschenhaß, Judenhaß und die Ursache des Krieges" (1917), "Der Denkfehler unserer Feinde" (1917), "Die jüdische Rasse" (1917/18), "Deutschenhaß, Judenhaß und Judenhaß der Deutschen" (1919).
1914-18
Zunächst Kriegsbegeisterung Brunners, Ende 1914 Kritik des übertriebenen Nationalismus' und der Alldeutschen. Zerwürfnis mit Otto Ernst. Geldsendungen Frida Monds aus England blieben aus und brachten Brunner in wirtschaftliche Schwierigkeiten; Herrligkoffer lieh ihm Geld.
um 1920
Kontakte zu Walther Rathenau, Martin Beradt, Inge und Helga von Holtzendorff und Fritz Ringler.
Mai 1919
Gustav Landauer wurde bei der Niederschlagung der Münchener Räterepublik ermordet.
1919
Friedrich Kettner gründete das „Ethische Seminar“ in Czernowitz, die Keimzelle des späteren Brunnerkreises. Dazu gehörten u.v.a. Rose Ausländer, Walter Bernard, Lothar Bickel, Israel Eisenstein, Eli Rottner, Leo Sonntag, Claire Sinnreich.
ab 1920
Ambivalenter Kontakt zwischen Brunner und dem "Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens", insbesondere zu Ludwig Holländer. Brunner publizierte wiederholt in der Zeitung des Vereins, wurde aber auch wegen seiner konsequent antizionistischen Haltung angegriffen.
Sommer 1920
"Memscheleth sadon. Letztes Wort über den Judenhaß und die Juden" (eine psychologische Theorie des Interessedenkens und des Hasses am Beispiel des Antisemitismus) erscheint.
ab 1920
Entstehung eines Brunnerkreises in Berlin um Fritz Blankenfeld und Ernst Ludwig Pinner.
Ende 1921
"Unser Christus oder das Wesen des Genies" (das erste Hauptwerk über die Geistlehre, die hier an Christus als „mystischem Genie“ exemplifiziert wird; gleichzeitig Diskussion des religiösen Judentums und des Christentums im Sinne der "Lehre von den Geistigen und vom Volk") erschien im Verlag Oesterheld & Co.
1922
"Der Judenhaß und das Denken" (Zusammenfassung der Antisemitismustheorie) erschien im Verlag des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens.
Juni 1922
Ermordung Walther Rathenaus.
Ende 1922
Auflösung des Ethischen Seminars in Czernowitz nach dem Selbstmord Berta Hollingers. Czernowitzer "Seminaristen" wie Leo Sonntag, Lothar Bickel, Faktor und Eli Rottner traten in Kontakt zu Brunner. Es bildeten sich neue Kreise in Czernowitz, Bukarest und auch in Polen und Österreich.
Ende 1922
Beginn der intensiven Freundschaft zwischen Brunner und Selma van Leeuwen sowie ihrem Bruder Jacob Gerzon.
1924-31
Brunner publizierte im Gustav Kiepenheuer Verlag.
Sommer 1924
"Liebe, Ehe, Mann und Weib" (eine Erläuterung der nicht „geistig-mystischen“, sondern „praktischen“ Liebe: der erotischen Triebe und der Funktion und Bedeutung der Ehe) erschien.
Ende 1924
"Vom Einsiedler Constantin Brunner" (eine vor allem autobiographische Schrift) erschien.
1924-25
Kontakt zu Arthur Liebert. Vortrag von Lotte Brunner in der Kant-Gesellschaft.
1925
Gründung der Brunner-Gemeinschaft in Berlin durch Ernst Ludwig Pinner, Fritz Blankenfeld, Ernst Levy und Lotte Brunner. Brunner selber beteiligte sich nicht. Später traten auch George Goetz, Emil Grünfeld, Walther König, und Fritz Ritter hinzu.
Sommer 1925
Reisen an die Ostsee (Göhren auf Rügen) und im Juni mit Lotte Brunner nach Norwegen.
--> (Weiter siehe unten links)
1925-28
Kleinere medizinische Arbeiten, unter anderem in medizinischen Zeitschriften: "Über den Aberglauben in der Betrachtung von Geisteskranken" (1925), "Aberglaube an die Ärzte und an die Heilmittel" (1927), "Natura sanat, medicus curat" (1928), "Keine Psychiatrie und die Psychoanalyse" (1928).
1926
Ernst Altkirch starb überraschend; Auseinandersetzung über seinen Nachlass mit Elisabeth Altkirch.
1927
Lotte Brunner hielt Vorträge über Brunners Denken, die sie unter Pseudonym publizierte.
Januar 1927
"Faustischer Geist und Untergang des Abendlandes. Eine Warnung für Christ und Jud" (Essay gegen Spengler) erschien in der Jüdisch-liberalen Zeitung; zuvor war der Artikel vom Central-Verein zurückgewiesen worden.
1927
Begegnungen mit Rose Ausländer.
1928
"Aus meinem Tagebuch" (kein Tagebuch im üblichen Sinne, sondern eine aphoristisch-essayistische Sammlung) und "Materialismus und Idealismus" (zweites, in Gesprächsform geschriebenes Hauptwerk über die Geistlehre, das das „geistig-philosophische“ Denken im engeren Sinn zum Gegenstand hat) erschienen.
1928
"Los vom Zionismus", ein von Brunner angeregter und von Fritz Blankenfeld, Ernst Ludwig Pinner und Emil Grünfeld (unter dem Pseudonym Kimchi) herausgegebener Aufsatzband erschien.
1929-30
Verhaltener Kontakt zu Wilhelm Schwaner und Friedrich Meyer-Schönbrunn.
September 1930
Umzug von Potsdam in die Helmstedterstraße 10 in Berlin.
1930
"Von den Pflichten der Juden und von den Pflichten des Staates" (zweites Hauptwerk über die Staatslehre; erneut eine scharfe Kritik des Zionismus) erschien und wurde kritisch diskutiert. Kontakt zu Jakob Klatzkin.
1931
Weitere kleine Schriften zur „Judenfrage“, die (unter anderem von Eva Reichmann) kontrovers diskutiert wurden: "Höre Israel und Höre Nicht-Israel! (Die Hexen)" (1931); "Über die notwendige Selbstemanzipation der Juden" (1931).
1932
Anlässlich seines 70. Geburtstages zahlreiche Presseberichte.
1932-33
"Der entlarvte Mensch" entstand (erneute Auseinandersetzung mit der "Judenfrage" und Erweiterung der Gesellschafts- und Staatstheorie).
1932-37
Entstehung erst postum veröffentlichter kleinerer Arbeiten, unter anderem: "Rede zum siebzigsten Geburtstag"; "Am 6. März"; "Die Heiligen – Ein kurzer Religionsunterricht"; "Geniale und dilettantische Produktion"; "Goethes 'Tagebuch'"; "Die beiden Wohltäter: Ein Brief an Fritz Ritter"; "Michelangelo"; "Zenos Veranschaulichung des Denkens"; "Gespräch: Das Denken und das Gedachte"; "Nachwort zu meinem Testament".
1933-37
Den Haag: Brunner emigrierte mit seiner Familie und mit Unterstützung von Selma van Leeuwen und Walter Bernard im April 1933 in die Niederlande, wo er zurückgezogen lebte, aber viele Besuche empfing (unter anderem von Borromäus Herrligkoffer, Aron Berman, Shilo Eisenstein, Lothar Bickel und Leo Sonntag) und Briefkontakte pflegte (unter anderem mit Meyer Kesten, Moses Barasch, Harry Behnsch, Moscheh Schefi und Jeschourun Disenhaus). Der Berliner Brunnerkreis löste sich auf.
1934-35
Im November 1934 heiratete Lotte Brunner Piet Stigter. Nach dem Auszug Lotte Brunners kam Magdalena Kasch nach Den Haag, um Brunner und seiner Frau im Exil zur Seite zu stehen.
1934-37
Entstehung von "Unser Charakter oder Ich bin der Richtige!" (leidenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Charakterbegriff und dem Weg zur „geistigen Besinnung“); die Schrift blieb unvollendet.
27.8.1937
Brunner starb nach zermürbender Krankheit im Haager Exil.